RUMPF IST STUMPF – LÄUFER BRAUCHEN EIGENTLICH KEIN CORE-TRAINING

RUMPF IST STUMPF – LÄUFER BRAUCHEN EIGENTLICH KEIN CORE-TRAINING

In Läuferkreisen findet man immer wieder die Floskel “Rumpf ist trumpf”. Damit ist gemeint, dass ein intensives Training und die Stärkung der Rumpfmuskulatur zu mehr Effizienz, mehr Schnelligkeit, mehr Kraftausdauer und weniger Verletzungsanfälligkeit führen soll.
Was ist mit Rumpfmuskulatur denn eigentlich gemeint? In der Medizin definiert man sie als Gruppe aus Brustmuskulatur, Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur. Dieser Artikel geht der Frage nach, ob du als Läufer wirklich einen so starken Rumpf brauchst.

In diesem Artikel lernst Du:
• Warum du mit natürlicher Lauftechnik kaum Rumpfstabilität brauchst
• Dass Rumpfmobilität wichtiger ist als Stabilität

Wer aufrecht läuft braucht weniger Kraft

Der aufrechte Gang macht den Menschen in seiner Fortbewegung außerordentlich Effizient. Der Mensch benötigt, im Vergleich zu seinem nächsten Verwandten dem Schimpansen, bis zu 75% weniger Energie. Wohlgemerkt können sich Schimpansen auch aufrichten und sich auf zwei Beinen fortbewegen, doch ist es für sie dann um ein Vielfaches aufwändiger als für uns Menschen. Einer der Gründe dafür ist die, auch bei voller Aufrichtung, leicht nach vorne gekrümmte Oberkörperhaltung der Affen. Sie müssen für ihre Haltemuskulatur im Rücken- und Nackenbereich mehr Energie aufbringen, um ihren Torso und ihren Kopf zu halten.
Fast alle etablierten Laufmethoden und Trainer raten in ihren Lehren zu einer leichten Vorneigung des Körpers um das Laufen effizienter zu machen. So die Theorie, die sich wissenschaftlich bis heute nicht belegen lässt.
Meiner Meinung nach ist dies aber nicht zu Ende gedacht, da man durch diese Vorlage vor allem eins bekommt: mehr Beschleunigung. Willst du aber in einer konstanten Geschwindigkeit laufen und nicht permanent schneller werden, dann brauchst du diesen Benefit nur in dem Moment, in dem du los läufst. Hast du deine Reisegeschwindigkeit erreicht solltest du nach Möglichkeit aufrecht sein um nicht weiter zu beschleunigen. Denn jede übermäßige Beschleunigung, die du nicht für das Halten deiner gewünschten Geschwindigkeit brauchst, musst du mit jedem Schritt auch wieder abbremsen (in einem späteren Artikel werden wir noch über den Irrtum des Leaning im Detail eingehen). Das ist ganz nebenbei nicht nur ineffizient, sondern steigert durch die erhöhten Bremskräfte auch das Verletzungsrisiko für die unteren Segmente.
Du ahnst vielleicht worauf das jetzt hinausläuft?
Ganz genau: Lehnst du Dich als Läufer also nach vorne, ja, dann brauchst du tatsächlich einen enorm starken Rumpf, der die Masse ab der Hüfte aufwärts halten und stabilisieren kann. Im schlimmsten Fall sogar auch noch viel Nackenmuskulatur, wenn du ein sogenannter Headchaser bist (Headchaser heißt: der Kopf ist nach vorne gestreckt, der Körper “jagd” daher dem Kopf hinterher).

Zwei kleine Tests verdeutlichen dir diese Mechanismen:

  1. Stelle dich barfuß einfach ganz locker hin, beide Beine nebeneinander. Jetzt lehnst du dich aus dem Fußgelenk (wie ein Ski-Flieger) mit geradem Oberkörper und ohne Beugung im Becken leicht nach vorne. Vermutlich spürst du schnell die erhöhte Spannung in der gesamten hinteren Kette (Fuß, Wade, Oberschenkelrückseite, unterer Rücken). Jetzt verlagerst du das Gewicht auf nur einen Fuß, den anderen hebst du leicht an. Voila, das ist deine Haltung in der mittleren Standphase, wenn du mit dauerhafter Vorneigung läufst. Jetzt richte deinen Oberkörper vom Becken her auf. Vermutlich merkst du eindrücklich wie viel entspannter und leichter diese aufrechte Haltung ist?
  2. Gleiche Ausgangshaltung. Du neigst dich wieder aus den Fußgelenken nach vorne. Gehst jetzt aber locker in die Knie und hüpfst nach vorne. Du hältst dabei die Neigung nach vorne. Du wirst vermutlich immer schneller und musst schon nach ein paar Hüpfern einen Ausfallschritt machen um nicht zu stürzen. Jetzt wiederhole die Übung mit geradem Oberkörper. Du bleibst beim Hüpfen stabil und brauchst weniger Einsatz der Rumpfmuskulatur.


Zunächst gilt also der Grundsatz: Je aufrechter unser K
örper steht, geht und läuft, desto weniger Kraft muss er zur Haltung des gesamten Oberkörpers aufbringen.
Viele Laufstil-Experten propagieren unzweckmäßig überhöhte Bein- (vorne kurz, hinten lang) und Armbewegung (Läuferdreieck, Arme nach hinten ziehen). Diese generieren aber vor allem große Drehmomente an Schultern und Becken, die der Rumpf dann aufnehmen muss. Vortrieb erzeugst du damit nur äußerst wenig bis gar nicht. Bleiben Beine und Arme immer möglichst nah am Körper, brauchst du auch weniger Stabilitätsaufwand im Rumpf. Das erfordert allerdings eine vollkommen andere Bewegungsidee des Laufens, als es der Mainstream vorgibt.