Bewegung ist eine der wichtigsten Voraussetzung für einen gesunden Körper
Allzu oft nehmen wir den Begriff der körperlichen Fitness als Synonym für einen gesunden, belastbaren und schönen Körper. Doch was genau heißt „fit sein“ eigentlich wirklich? Ausreichend Bewegung hat einen großen positiven Einfluss auf unseren Stoffwechsel, auf unsere Psyche und hilft Krankheiten vorzubeugen. Genauso wie Essen, Trinken, Schlafen, Sex und soziale Beziehungen braucht die menschliche Spezies Bewegung, damit ihr Organismus funktioniert. Leider müssen wir uns aber heute kaum noch rühren um zu überleben. Unsere Kühlschranke und Bäuche werden auch ohne Anstrengung gefüllt. Unserem Jäger- und Sammlerkörper bleibt die ausdauernde Aktivität verwehrt, auf die er sich in hunderttausenden Jahren angepasst hat.
Hunde oder Pferde sind Läufer. Was brauchen diese Tiere damit es ihnen gut geht und sie gesund bleiben? Bewegung. Und zwar Ausdauerbelastung. Kein Kraft-, Rücken- oder Rüttelplattentraining; sie müssen laufen. Was weniger bekannt ist: Der Mensch ist, wie diese beiden Tiere, ebenfalls ein Läufer. Unseren Haustieren gönnen wir den täglichen Auslauf. Und uns selbst? Meist Fehlanzeige. Selbst der Hamster im Käfig bekommt sein Laufrad damit er nicht eingeht. Nur wir selbst entziehen uns allzu gerne diesem Grundbedürfnis.
Der Mensch ist, um sein Überleben zu sichern, dazu veranlagt Energie zu sparen, wo er nur kann. Besteht keine Notwendigkeit sich zu bewegen, bleibt er daher lieber liegen. Damit schießt sich unser Organismus in der modernen Welt aber ins eigene Knie. Wir müssen uns nämlich bewegen um gesund zu bleiben.
Stress besser bewältigen
Stress ist evolutionär betrachtet eine Reaktion auf mögliche Gefahren. Der Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt. Wir unterscheiden fälschlicherweise oft zwischen positivem Stress (vermutlich meinen wir damit Stress, der uns gleichzeitig Freude bereitet), negativem Stress und reiner Angst.
Biochemisch ist das aber irrelevant, denn die Reaktionskette des Körpers ist immer die Gleiche. Die stoffwechselregulierenden Hormone Kortisol und Kortison, sowie die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet. Es kommt zu einem erhöhten Puls, einem Anstieg des Blutdrucks, einer Erweiterung der Bronchien und der Bereitstellung von Energiereserven aus Fetten und Glucose.
Der Körper stellt sich also auf eine Flucht, einen Kampf, eine Jagd, eine Schutzreaktion oder Ähnliches ein. Zusätzlich reagieren wir auch äußerlich auf Gefahren und gehen in eine Schutzhaltung. Unsere Muskulatur spannt sich an und signalisiert Bereitschaft. Die Hüfte zieht nach hinten und unsere vordere Rumpfmuskulatur zieht sich zusammen.
Eigentlich eine gute Sache, denn im besten Falle können wir in diesem Modus dem Säbelzahntiger entkommen und überleben. Dieser kurz andauernde Stress ist soweit auch kein Problem, wenn wir uns nach dieser Anstrengung gebührend entspannen.
Regeneration ist für uns von größter Bedeutung. Schaffen wir es nicht nach einer Belastung uns entsprechend lange zu entspannen, kann dies zu chronischen Verspannungen und psychischen Problemen führen.
Im Gegensatz zu unseren Vorfahren setzen wir uns heute permanentem Dauerstress durch Zeitdruck, Ängsten, sozialen Vergleichen und Dauerreizungen durch Computer, Handys, Fernseher, dem Stadtleben und dem Straßenverkehr aus. Das Ergebnis ist eine anhaltende, latente Alarmbereitschaft des Organismus. Vor allem problematisch: Wir bemerken diesen Zustand nicht mal mehr, denn mit der Zeit gewöhnt sich unser Gehirn daran und adaptiert diese konstante Reizüberflutung und den Druck unter dem wir stehen als den neuen Normalzustand.
Wir verharren dann meist in diesem angespannten Dauermodus. In diesem Zustand wartet der Körper unablässig darauf sich entladen zu können. Viele meinen dies mit Lifestyle-Entspannung wie Wellness, Yoga oder Sauna regeln zu können. Das funktioniert allerdings nur oberflächlich. Denn wir sind darauf programmiert, dass nach einer Anspannung auch eine körperliche Aktion folgt: Flucht, Kampf, Jagd etc..
Das einzige was hilft, die aufgestaute Energie zu entladen, ist Bewegung. Und zwar schweißtreibende, aerobe Bewegung. Am besten in seiner ursprünglichsten Form: Laufen. Lang und im gemäßigten Tempo, der menschlichen Paradediziplin.
Laufen ist wie Kiffen
Neben der Entladung gibt es noch einen zweiten Aspekt, den gerade Laufen so wichtig für uns macht: Lange Läufe bringen uns in eine psychische Balance, machen uns ausgeglichen und stabilisieren unsere psychische Belastbarkeit. Allgemein werden die Endorphine, die beim Laufen ausgeschüttet werden, für die Glücksgefühle, die nach einigen Kilometern entstehen, verantwortlich gemacht.
Glück entsteht aber im Gehirn. Endorphine konnten bislang aber nur im Blut ausfindig gemacht werden. Sie haben sehr wahrscheinlich eher die Aufgabe, den Schmerz bei Verletzungen zu lindern. Das macht auch vollkommen Sinn, denn wenn wir in der Savanne stürzten, mussten wir irgendwie weiterkommen um nicht Opfer von Raubtieren zu werden. Endorphine machen den Menschen unter Bewegung also vor allem zäh.
Es sind andere Stoffe, die dieses Wohlbefinden hervorrufen. Stoffe, die auf unser Gehirn wirken. Der wohl wichtigste Verdächtige in der Runde: Endocannabinoid. Ein Stoff, der den Wirkstoffen der bekannten Cannabis-Pflanze sehr ähnlich ist. Cannabis hat, das ist wohl allgemein bekannt, eine beruhigende und entspannende Wirkung.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sogar Cannabis zu Therapiezwecken psychisch labiler oder depressiver Menschen eingesetzt wird. Die heilende Wirkung ist also bekannt.
Die Rezeptoren für diesen Stoff in unserem Gehirn sind aber vermutlich von der Natur nicht vorgesehen, damit wir uns zudröhnen können, sondern damit eine körpereigene Substanz sich an sie heften kann um einen beruhigenden Zustand hervorzurufen.
Genau das passiert beim Laufen: das Endocannabinoid-System wird aktiviert und führt zur vermehrten Ausschüttung dieses Stoffes. Vermutlich in direkter Beziehung steht außerdem die Ausschüttung von Serotonin und anderen Botenstoffen wie Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin. Alles Hormone, die den Körper und Geist in einen Glückszustand versetzen. Evolutionär gesehen ging es aber nicht um einen Rausch, sondern um einen scharfsinnigen Zustand der Wachsamkeit, der es uns trotz Anspannung ermöglichte während der Jagd völlig präsent und konzentriert zu sein. Diese Erkenntnis ist ein weiteres Puzzle-Teil, um erklären zu können, warum uns Bewegung so gut tut und sie auch für therapeutische Zwecke eingesetzt wird.
Laufen ist tatsächlich eine natürliche Droge. Eine Droge, die uns im Vergleich zu allen synthetischen und künstlichen Rauschmitteln nicht schadet, sondern gesund hält und unser Leben verlängert. Darüber hinaus wirkt die monotone, rhythmisierende Bewegung beim Laufen meditativ auf unser Bewusstsein. Viele Meditationsübungen funktionieren auf der Basis von Mantras, jenen Wortsilben oder Versen, die wiederholt werden bis sich der Geist nicht mehr mit negativen Gedanken beschäftigt.
Viele Läufer empfinden die Bewegungen als Meditation, Probleme werden nach der Aktivität nicht mehr so stark wahrgenommen, neue Idee wachsen und die Kreativität wird gesteigert. In einer Studie konnte belegt werden, dass schon 30 Minuten aerobe Bewegungen an 3-5 Tagen in der Woche nach 12 Wochen die Symptome einer Depression bei 50 % der Probanden beseitigt werden konnten.
Quellen:
David A. Raichlen et al. Elevated brain cannabinoid CB1 receptor availability in post-traumatic stress disorder: a positron emission tomography study, Molecular Psychiatry 2012
A Neumeister et al. Elevated brain cannabinoid CB1 receptor availability in post-traumatic stress disorder: a positron emission tomography study, Molecular Psychiatry 2013
Emma Puighermana et al.Cannabinoid modulation of hippocampal long-term memory is mediated by mTOR signaling, Nature Neuroscience 2009
Jason L. Niehaus et al.CB1 Cannabinoid Receptor Activity Is Modulated by the Cannabinoid Receptor Interacting Protein CRIP 1a, The American Society for Pharmacology and Experimental Therapeutic 2007